Lovebombing
Toxische Beziehungen beginnen meist mit Lovebombing oder besser:
Mit der Lovebombingphase.
Denn sobald der Narzisst sein Opfer um den Finger gewickelt und volle Kontrolle über dessen Emotionen erlangt hat, endet das Lovebombing meist abrupt.
Beim Lovebombing umgarnt und verzaubert der Narzisst das Opfer. In dieser Phase erhält man eine massive positive Aufmerksamkeit.
Sehr schnell fallen von Seiten des Narzissten Liebesbekundungen wie „ich liebe dich“, „endlich haben wir uns gefunden“, „wir sind Seelenpartner“, „ich weiss gar nicht, wie ich die ganze Zeit ohne dich leben konnte“, „das mit uns ist Schicksal“ , „ich kann ohne dich nicht mehr einschlafen“, „lass uns doch einfach zusammenziehen, auf was sollen wir warten?“(…).
Du wirst eventuell auch mit Textnachrichten bombardiert; dir wird das Gefühl vermittelt, dass du ab jetzt nicht mehr alleine bist.
Die toxische Person erzeugt eine Einheit, interessiert sich für dein Leben, jeden deiner Gedanken.
Dein Bauchgefühl wird dich sehr schnell warnen, dass hier irgendetwas so ganz und gar nicht stimmt.
Doch viele Opfer fühlen sich in der Lovebombingphase wie betrunken. Sie ignorieren ihr Frühwarnsystem, hören nicht auf das komische Gefühl in der Magengegend.
Berauscht von den Liebesbekundungen des Narzissten, der die gemeinsame Zukunft in den schönsten Farben ausmalt, können sie ihr Glück kaum fassen.
In der Lovebombingphase kann der Narzisst sehr erfinderisch sein. Im Folgenden gebe ich euch drei Beispiele, die mir in der Coachingpraxis begegnet sind.
Beispiel 1:
Eine Klientin von mir hat mich gebeten, hier ihre Geschichte aufzuschreiben. Nennen wir sie einfach mal Eva und ihren narzisstischen Partner Thorsten. Beide Namen sind selbstverständlich frei erfunden.
Eva lernte Thorsten an einem Donnerstag Abend auf einer Party kennen. Thorsten war attraktiv, ein sehr wohlhabender Geschäftsmann, und hatte laut eigener Aussage gerade eine Trennung hinter sich.
Eva, eine ebenfalls sehr gut aussehende, aber unsichere Frau, war finanziell angeschlagen. Sie hatte aber einen sicheren Job, den sie über alles liebte und eine liebevoll eingerichtete Wohnung. Ein Auto konnte sie sich aus finanziellen Gründen nicht leisten.
Eva und Thorsten unterhielten sich auf der Party und Thorsten schlug vor, Samstag morgen für drei Tage nach Mallorca zu fliegen. Also gerade mal 2 Tage nach ihrem ersten Treffen. Er würde sie selbstverständlich einladen.
Eva war wie im Rausch und konnte es kaum fassen, dass dieser reiche und gutaussehende Mann es tatsächlich ernst zu meinen schien.
Denn noch auf der Party buchte er online für beide Flug und Hotel (natürlich ein Doppelzimmer). Obwohl sie sich gerade mal ein paar Stunden kannten.
Doch es kam noch besser: Als beide getrennt voneinander die Party verließen (sie stiegen vor der Tür in zwei Taxis), gab Thorsten Eva seinen Geldbeutel. Darin befanden sich fast 10.000 Euro in bar. Er gab ihr auch den Autoschlüssel seines BMW, der ein paar Straßen weiter parkte.
Er sagte der verdutzen Eva, dass er lediglich herausfinden will, ob sie nur sein Geld oder ihn als Mensch haben will. Und wenn sie ihm am Samstag vor dem gemeinsamen Flug nach Mallorca den Geldbeutel mit dem gesamten Inhalt und seinen Autoschlüssel wieder zurückgeben würde, wisse er, dass sie seine Traumfrau sei, der er bedingungslos vertrauen könne.
Er, der arme Kerl, sei so oft verletzt worden, er müsse es einfach genau wissen, da er glaube, sie sei seine Seelenpartnerin. Und wenn sie ihm das Geld inklusive Autoschlüssel zurückgeben würde, dann sei das die Bestätigung für diese Seelenpartnerschaft.
Weitere Details dieser kaum erträglichen Geschichte möchte ich euch an dieser Stelle ersparen.
Meine Klientin ist dann nach einer Woche bei ihm eingezogen und hat ihre Wohnung gekündigt.
Nach weiteren 14 Tagen kündigte sie ihren Job, weil er der Meinung war, er würde genug Geld für beide verdienen und seine „Frau“ müsse ja nicht arbeiten.
Sie war binnen kurzer Zeit in eine finanzielle und emotionale Abhängigkeit geraten und als die Lovebombing Phase vorbei war, begann der eigentliche Horror in Form von Abwertungen und Co..
Beispiel 2:
Eine Klientin (Single, Anfang 30), die in der Öffentlichkeit stand, hatte einen Arbeitskollegen.
Der Mann stand zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls in der Öffentlichkeit. Er war verheiratet und ein attraktiver, durchtrainierter, gesellschaftlich angesehener Mittfünfziger, der sein Umfeld mit Witz und Charme begeistern konnte.
Doch meine Klientin war zunächst überhaupt nicht interessiert. Die ersten Avancen, die er ihr machte, wehrte sie ab. Ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann kam für sie nicht in Frage. Und er gefiel ihr - rein äußerlich - überhaupt nicht.
Doch er blieb hartnäckig. Die Klientin interessierte sich privat und auch beruflich ein wenig für den asiatischen Raum. Sie war allerdings vielseitig interessiert, doch das mit Asien hatte ihr Kollege wohl irgendwie mitbekommen.
Nun hatte sie plötzlich täglich Zeitungsartikel im Briefkasten, die sich mit dem asiatischen Raum beschäftigten. Es folgten auch Pralinen und kleine Zettel mit persönlichen Notizen ihres Kollegen, die aber alle nur das Thema Asien aufgriffen.
Der Narzisst hatte sein potentielles Opfer gescannt und als er erkannte, dass Asien wohl interessant für sie ist, fokussierte er sich auf dieses Thema, um sie zu erobern.
In der Phase des Lovebombings überhäufte er meine Klientin zum späteren Zeitpunkt sogar mit Büchern u.v.m. über Asien.
Auch sie hatte von Anfang an dieses komische Bauchgefühl, dass irgendwas nicht stimmt. Doch beeindruckt von diesem Engagement lies sie sich irgendwann auf eine Affaire ein und geriet in den Abwärtsstrudel, in die Narzissten ihre Opfer unweigerlich ziehen, sobald diese den Köder geschluckt und angebissen haben.
Auffällig an diesem Beispiel ist die Fokussierung des Narzissten auf ein Thema, nämlich Asien.
Da Narzissten über keinerlei Empathie verfügen und auch nicht wirklich an den Interessen des Opfers interessiert sind (sie benötigen das Opfer ja nur für die eigene Zufuhr), suchen sie sich wie ein Scanroboter ein Thema aus, das das Opfer interessiert - und bombardieren es anschließend damit.
Beispiel Nummer 3:
In diesem Beispiel ist eine weibliche Narzistin ähnlich vorgegangen wie der Narzisst im Beispiel Nummer 2.
Die Narzisstin hatte sich an einen Mann angedockt, der großer Hundeliebhaber war. Der Mann war 15 jahre jünger als die Narzisstin und grundsätzlich an ihr interessiert.
Aufgrund privater Schwierigkeiten war er aber anfangs sehr zurückhaltend, sodass die Narzisstin das Zepter in die Hand nahm.
Die Lovebombingphase startete mit WhatsApp Nachrichten, in denen die Narzisstin ihm Hundebilder schickte. Er erzählte mir im Coaching, dass diese ihm mehrfach täglich geschickt wurden.
Sie schickte ihm Gutenacht Nachrichten mit süßen kleinen Hunden und Links zu Internetseiten, die sich mit Hunden beschäftigen.
In all ihren Nachrichten ging es immer nur um Hunde. Obwohl auch er ein vielseitig interessierter Mann war, hatte sich die Narzisstin nur auf das Thema Hunde fokussiert.
Nach zwei Monaten, in denen die Narzisstin über WhatsApp Vollgas gab, starb sein Hund. Er war zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit der Narzisstin liiert.
Beide wohnten fast 500 km voneinander entfernt und es hatte noch kein Treffen stattgefunden.
Den Tod seines Hundes postete er in seinem WhatsApp Status. Er schrieb dort, dass es ihm nicht so gut geht und er trauert.
Doch die Narzisstin schickte weder eine Beileidsbekundung noch reagierte sie auf seinen Status.
Sie meldete sich nun drei Tage überhaupt nicht und switchte dann vom Thema Hund auf das Thema Tennis um (mein Klient war begeisterter Tennisspieler). Fortan schickte sie ihm alles zum Thema Tennis, sie überhäufte ihn mit Links und Bildern.
(...)
Wie ihr seht, gibt es in der Lovebombingphase bestimmte Verhaltensmuster und alle Narzissten verhalten sich alle irgendwie ähnlich. So, als seien sie geklont worden. Der sicherste Indikator, der euch zeigt, dass ihr an einen Narzissten geraten seid, ist aber immer das eigene Bauchgefühl.
Lovebombing ist eine ungemein gefährliche Manipulationstechnik, die der Narzisst einsetzt, um dich sehr schnell an den Haken zu bekommen.
Da er innerlich leer und auf Zufuhr von außen angewiesen ist, benötigt er das Opfer, um sich diese Zufuhr und Bestätigung zu sichern.
Anders als „gesunde“ Menschen, kann er sich selbst keinerlei Zufuhr geben; so entsteht sein Lovebombing.
Indem er das Opfer betört, zu seiner Königin erklärt und seine Sinne benebelt, will er es an sich ketten und kontrollieren.
Berauscht von dieser einzigartigen Form der Zuwendung wird das Opfer regelrecht betäubt und seine inneren Warnsysteme ausgeschaltet.
Die Lovebombingphase muss nicht genau so ablaufen wie oben beschreiben. Sie hat viele Gesichter.
Was mir allerdings ausnahmslos alle Klienten schildern, ist das warnende und komische Bauchgefühl, das sie gleich zu Anfang hatten aber ignorierten.